Unsere Reise nach Indien und Besuch im Deenabandhu Home for Girls in Machilipatnam

Nach dem viel zu frühen Tod unserer Tochter gründeten wir in ihrem Namen die Evelin Christiane Gräfin von Bethusy-Huc Stiftung unter dem Dach der Kindernothilfe-Stiftung, um das Engagement unserer Tochter weiterleben zu lassen. Da Evelin besonders das  Schicksal der Mädchen in Indien und Afrika zu verbessern gesucht hatte, entschieden wir uns dafür, zwei Patenkinder und das Deenabandhu Home for Girls in Indien zu unterstützen.

Als nach dem ersten ‚Evelin Gedenktag‘ im Februar 2012 nun über Evelins Stiftung und mit Hilfe der Heimleitung der zweite ‚Evelin‘s Remembrance Day‘ im Februar 2013 möglich wurde, wollten wir den Tag mit unseren Patenkindern erleben sowie alle Kinder und deren Betreuer kennen lernen. Die Heimleitung stimmte unserem Vorhaben zu und so planten wir unsere Reise für die zweite Hälfte des Februars.

Besuch im Don Bosco Heim für Straßenkinder
Wir besuchten zuerst ein Heim für Straßenjungen in Secunderabad bei Hyderabad, das von der Kindernothilfe unterstützt und von der Don Bosco Stiftung geführt wird.

Wir wurden vom Direktor des Heims, von Repräsentanten des Churches‘ Council for Child and Youth Care aus Bangalore, den Betreuern und den Jungs sehr herzlich empfangen, mit Gesang, Girlanden und Geschenken.
Einige Jungen spielen Instrumente, so wurden wir mit enthusiastischer Blasmusik begrüßt. Und tanzen können sie! Beeindruckend! Es sind ganz normale Jungs, nett, aufgeweckt und neugierig, alles was sie brauchen ist ein gutes Zuhause, Fürsorge und eine Ausbildung.

An den Bahnhöfen wurden Mitarbeiter für Jugendfürsorge eingestellt, die jedes Straßenkind beim zuständigen Komitee für Jugendfürsorge registrieren, das dann die Mädchen und Jungen an die verschiedenen Organisationen wie diese der Kindernothilfe vermittelt. Diejenigen Kinder, die in ihre Familien zurückkehren können und wollen, werden durch das Komitee direkt wieder mit ihnen integriert.

Die Jungen, die bleiben wollen, erhalten eine ganzheitliche Betreuung, wie psychologische Beratung, ein Zuhause, Schulbildung und eine Ausbildung. Vor Ort können sie verschiedene handwerkliche Berufe erlernen. In der technischen Ausbildungsstätte für Jungen gibt es derzeit neun verschiedene Ausbildungsgänge, z.B.  zum Elektriker, Automechaniker, Kühl- und Klimagerätemechaniker, Drucker/Buchbinder oder Desktop Publishing für insgesamt 240 Jugendliche. Die Kurse dauern von drei Monaten bis zu zwei Jahren und werden von gut ausgebildeten Lehrern durchgeführt. Die Ausbilder werden laufend weitergebildet.

Die Jungen werden aber nicht nur ausgebildet, sondern danach weiterhin von einem speziellen „Job Placement Centre“, einer Art Arbeitsvermittlung, weiter betreut und begleitet, bis sie eine Stelle gefunden oder sich erfolgreich selbständig gemacht haben.

Der Direktor des Heims nahm sich viel Zeit, uns nicht nur das Heim, sondern auch selbst die Stadt und naheliegende Sehenswürdigkeiten zu zeigen.

Besuch im Deenabandhu Heim für Mädchen
Von Hyderabad reisten wir an die Ostküste nach Vijayawada, bereits erwartet von den Heimleitern, Mrs. Mani und ihrem Mann, Mr. Martin, und unseren Patenkindern, Apoorva und Anitha. Die Freude war groß, sich endlich kennen zu lernen und wir verbrachten einen langen Abend zusammen, hatten wir doch alle viel zu erzählen. Unsere Patenkinder und wir umarmten uns immer wieder und wir machten einen langen Spaziergang an diesem lauwarmen Abend über eine der Brücken über den breiten Fluss Krishna.

Am nächsten Tag fuhren wir nach Machilipatnam ins Schülerinnenwohnheim, wo wir unbeschreiblich herzlich empfangen wurden: die kleineren Mädchen, ganz in Weiß gekleidet, tanzten und sangen wunderschön und anmutig für uns auf dem Pfad zum Heim hin, der mit von den Kindern gefertigten Blumendekorationen geschmückt war. Wir wurden mit Girlanden behängt, jedes Mädchen überreichte uns ein selbst gebasteltes Geschenk und die Begrüßung wollte kein Ende nehmen. Jedes Mädchen wollte uns die Hand reichen, umarmt werden und uns seinen Namen sagen.  Die Kinder hatten ein Modell des Heims aus Styropor gebastelt. Dem Haus entlang wuchsen kleine Büsche die so zugeschnitten waren, dass man lesen konnte: „Hearty welcome to Mrs. Eva and Mr. Horst Herrmann, parents of Evelin Christiane.“  Im Haus hingen überall gedruckte Transparente zur Erinnerung an Evelin und ihr warmherziges Wesen.

Wir verbrachten vier wundervolle Tage mit den Mädchen. Mrs. Mani und Mr. Martin leiten das Heim nicht nur effizient und gut, sie sind vor allem für die Kinder da, mit bedingungsloser Liebe und Fürsorge.  Die Mädchen haben auch Pflichten zu erfüllen. Dadurch lernen sie Verantwortung zu übernehmen. Doch in der Freizeit spielen sie, und abends in der täglichen Kulturstunde lernen sie zu singen und zu tanzen, sie lesen vor, spielen Theater und entdecken so ihre Talente.

Morgens und abends gibt es außerdem Computerunterricht für jeweils sechs Kinder im „Evelin Christiane Memorial Computer Center“, das mit Stiftungsmitteln eingerichtet wurde. Die Mädchen zeigten uns stolz, was sie schon alles am Computer ausführen können.

Wir sprachen auch mit den Lehrerinnen und Lehrern der Mädchen und müssen ihr Engagement bewundern, denn die Klassen sind groß.  Auch die Mütter unserer Patenkinder lernten wir kennen und wir sind uns in gegenseitigem Verstehen und Vertrauen begegnet.

Den ‘Evelin‘s Remembrance Day‘ verbrachten wir mit den Kindern im Freizeitpark Haai Land, und, trotz der Hitze, sahen wir den Kindern bei allen Aktivitäten zu. Sie hatten so viel Spaß, vor allem im Wasser und beim Regentanz, und wollten uns überall dabei haben. Bevor sie sich austoben konnten, waren sie mit der gleichen Hingabe dabei, über Evelin als Mensch zu sprechen und in einem Quiz zwischen zwei Gruppen zu zeigen, was sie alles über sie wussten und wie sie Evelins Idealen nacheifern wollten. Für uns war das sehr bewegend, wie auch die kleinen Rollenspiele von Szenen aus Evelins Leben.  Jedes Kind zeichnete dann noch ein Bild und schrieb später einen Brief für uns.

Mehr können Sie unter Evelins Remembrance Day 2013 lesen.

Wir konnten die Näharbeiten bestaunen, die uns stolz von den angehenden Schneiderinnen gezeigt wurden. Auch trafen wir ehemalige Patenkinder und wir freuen uns, dass es ihnen gut geht. Einige arbeiten inzwischen als Krankenschwestern. Eine Schülerin wird in diesem Jahr ihren Master in Business Administration beginnen, zwei weitere beenden ihr Studium in Mathematik bzw. Informatik, vier Mädchen werden dieses Jahr am Polytechnikum fertig. Alle sind Vorbilder für die jüngeren Mädchen im Wohnheim, die uns erzählten, dass sie Krankenschwester oder Lehrerin werden wollten, auch Informationstechnologie weckt nun Interesse in den Mädchen.

Wir besuchten noch ein Heim für Jungen in Machilipatnam; ein anderes Heim für Straßenkinder, eine Einrichtung für psychisch kranke Kinder und noch ein Mädchenwohnheim in Vijayawada. Ein Heim für HIV infizierte Kinder in Vijayawada ist gerade im Bau.

Die Kindernothilfe hat über 390 Projekte in Indien. Die Not ist groß, nicht nur in Indien, und die Arbeit und Hilfe der Kindernothilfe werden dringend benötigt. Jede Spende wird gezielt für die Projekte  verwendet, auch für „Hilfe zur Selbsthilfe“ Projekte, oder das Projekt „Förderung und Ausbildung für Dalit-Mädchen“ (Töchter von Tempelprostituierten, Witwen, usw. aus der Dalit-Kaste). Die Armut ist groß, vor allem in Familien, die in den ländlichen Gebieten leben und der Kaste der Dalits, der „Unberührbaren“, angehören.

Wir lernten außer den Repräsentanten des Churches‘ Council for Child and Youth Care auch den Bischof der südindischen Kirche und seine Frau kennen, die sich alle unermüdlich für soziale Besserung einsetzen. Es wurde uns auch ermöglicht, am Sonntag an einem Gottesdienst in der St. Andrew’s Church teilzunehmen und einige Worte des Dankes an die Kinder, die Heimleiter und die Gemeinde zu richten. Wir sind sehr froh, ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein und zu diesen Vorhaben und Projekten beitragen zu können. Wir sind überzeugt, dass dieser Einsatz hilft und die Erträge aus Evelins Stiftung in ihrem Sinne eingesetzt werden.

Nicht vergessen werden wir Mrs. Manis und Mr. Martins Gastfreundschaft. Sie hatten alles so gut organisiert, wollten uns auch das Land nahe bringen und versuchten uns trotz ihrer Arbeit möglichst viel von der Gegend zu zeigen. Wir sahen sowohl eine Kalamkari (Naturfarben) Stoffdruckerei,  eine Batik Stoffdruckerei und andere kleine Betriebe sowie Kirchen, Tempel und kleine Festungen aus dem 19. Jahrhundert, und natürlich den Hafen, denn die Fischerei gehört zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen.

Auch das Personal im Heim ist mit Freude dabei und hat uns jeden Wunsch von den Augen abgelesen.   

Wir wurden überall beschenkt mit wunderschön gedruckten Schals und Decken, und sogar mit einem Sari, den Mrs. Mani sehr passend für mich gewählt hatte.  Interessant waren auch die unterschiedlichen Süßigkeiten, von denen wir einige für alle Mädchen im Heim wählten. Natürlich waren Mani und wir auch mit Apoorva und Anitha einkaufen, um den Beiden eine Freude zu bereiten.

Zum Abschied wurde nochmals ein fröhlicher Kulturabend veranstaltet mit Liedern, wunderbaren indischen Tänzen, Theater und Lesungen. Auch eine kleine Modenschau, genannt „fancy-dress program“ wurde vorgeführt und dann wurden Preise verteilt, auch deshalb weil Ende April das Schuljahr endet. Der Hauptpreis, ein Vielseitigkeitspreis, eine Plakette mit Evelins Foto, wurde dieses Jahr wieder einem besonnenen, klugen und hilfreichen Mädchen überreicht, das ein Computerstudium begonnen hat und die jüngeren Mädchen oft am Computer berät.  Sie schrieb uns einen Brief, in dem sie sich für das Computer Center bedankte, das ihr beim Studium sehr von Nutzen sei. Da Telugu die größte dravidische Sprache und nach Hindi und Bengali die Sprache Indiens mit den drittmeisten Sprechern ist und da die Mädchen Englisch erst mit Schulbeginn lernen, ist ihr Fortschritt am Computer und ihre Freude am lernen zu bewundern.  Wir lernten die Mädchen auch näher kennen, da viele von ihnen Fragen über Evelins und unser Leben stellten und wir uns noch lange in die lauwarme Nacht hinein mit ihnen unterhielten.

Vor unserer Abreise malte eine der älteren Schülerinnen ein traditionelles Henna-Tattoo auf unseren linken Handrücken, das leider nach unserer Rückkehr nach München langsam verblasste. Aber die vielen Fotos, Bastelarbeiten, Zeichnungen und Briefe werden uns fortan an die uns entgegen gebrachte Liebe, Herzlichkeit und Freundschaft erinnern.  Ein von den meisten Kindern gezeichneter und unterschriebener Poster wurde inzwischen gerahmt und als Andenken bei uns aufgehängt. Die warmherzigen Erlebnisse haben uns noch lange wie auf einer Wolke schweben lassen und wir werden für immer ‘Mom and Dad‘ aller Mädchen bleiben.

Nachtrag
Wir erhielten später noch Fotos der Feiern am Palmsonntag und an Ostern.  Mrs. Mani und Mr. Martin sandten uns sogar Fotos von Arbeiten, die inzwischen von den Mädchen am Computer ausgeführt werden können.   

Informationen zur Kindernothilfe:

www.kindernothilfe.de